26. Tag, Mittwoch, 6. Mai
Urt – Bayonne
18 km
Ich freue mich darauf, die letzten Kilometer dem Fluss l`Adour entlangzugehen. Doch leider führt der Weg schon bald wieder auf die Strasse. Unterwegs treffe ich einen Franzosen aus der Vendée. Er sitzt mit seinem Hund vor einem kleinen Camper und lädt mich zu einem Kaffee ein. Er hätte mich gestern schon gesehen. Ich helfe ihm auf der Reisekarte Santiago de Compostela zu finden. Er will der Nordküste entlang bis dorthin fahren. Dann runter nach Portugal, der Südküste entlang wieder nach Frankreich und zuletzt nach Deutschland. Hier im Südwesten von Frankreich sind sehr viele Camper unterwegs. Auf einem kleinen, autofreien Pfad gehe ich unter Bäumen auf denen Schwärme von Möwen ihre Nester haben. Schon bald sehe ich die ersten Gebäude von Bayonne. Dort angelangt gehe ich als Erstes zum Bahnhof, um mir das Billett für die Heimfahrt zu kaufen. Im Hotel de la Gare finde ich ein kleines einfaches Zimmer mit Dusche und Lavabo, WC auf dem Gang. Aber es ist okay. Es ist ziemlich frisch in der Stadt als ich mich aufmache, um im Tourist-Center meinen letzten Stempel zu holen. Dort, welch Überraschung(!) treffe ich auf Dimitri. Er hat sich auf dem Chemin Litorale, der sehr schlecht markiert sei, bis hierher durchgeschlagen. So ein Zufall! Zwei, drei Minuten früher oder später wären wir einander nicht begegnet. Wir gehen etwas trinken und erzählen uns was wir seit Cartleguès erlebt haben. Nach so vielen Etappen treffen wir uns hier. Einfach unglaublich. Ich gehe mit Dimitri in die Kathedrale wo sich eine Auskunft für Pilger befindet. Dimitri sucht ein Logis, ich bekomme einen Stempel und Material für den Camino del Norte, den ich nächstes Jahr in Angriff nehmen will. Nun habe ich Zeit ein bisschen herumzuschlendern. Ich fühle mich ohne Rucksack leicht und doch fehlt er mir. Er ist alles, was ich auf dieser Reise habe, und ich möchte fast sagen, dass er mir ein sehr guter Freund geworden ist. Ich schreibe meinen Pilgerfreunden Roger, Mijo und Colette eine Karte aus Bayonne. Ich erzähle ihnen, dass ich eventuell nächstes Jahr weiter auf den Camino del Norte gehen will. Der Zufall führt mich in das gleiche Restaurant wo ich bei der Rückreise von Santiago auf den Nachtzug warten musste. Ich erkenne es sofort wieder. Ich bestelle Frites und Steak an einer Paprika Tomatensauce, Salat, Ei und Fromage de Brebis. Einfach Lecker. Am Nebentisch sitzt eine junge Frau, ziemlich unsicher, offensichtlich auf dem Weg zum Camino. Ihre Wanderschuhe sind noch neu und sauber. Ich sehe weitere Frauen mit Rucksack, die alleine von oder zum Bahnhof laufen. Die Wahrnehmung stimmt also doch, dass dieses Jahr viele Frauen auf dem Jakobsweg unterwegs sind. Ich schwelge eine Weile in meinen Erinnerungen, wie ich 2007 hier am Bahnhof auf den Bus nach Saint-Jean-Pied-de-Port wartete. Ich bin sehr froh, habe ich den Hauptweg schon begangen. Jetzt hätte es für mich definitiv viel zu viele Pilger.